In einem der Kellerräume des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) wachsen Mutanten heran. Doch statt Monstern sind es kleine Pflanzen, die als lebende Subjekte für die Wissenschaft dienen. Dies ist das Reich von Dorota Jaworska, der Technikerin der Plant Facility des Instituts, die sich um Tausende kleine Experimente kümmert.
Manche Felder der Biologie erfordern das Studium lebender Organismen. Am ISTA nutzen Wissenschafter:innen Arabidopsis thaliana, auch Ackerschmalwand genannt, für ihre Experimente. Die Pflege von Tausenden dieser Pflanzen ist ein komplexes Unterfangen, aber Dorota Jaworska ist dieser Aufgabe gewachsen. „Ich war schon mein ganzes Leben lang ein Pflanzenmensch“, schmunzelt Dorota. Während einer Pause an einem heißen Sommertag sitzt sie auf einer Terrasse mit Blick auf den Campusteich. In dem weißen Gebäude hinter ihr wächst in mehreren fensterlosen Räumen Arabidopsis thaliana. Sie nimmt uns mit durch einen Tag im Dienste des Gärtnerns für die Wissenschaft.
„Als erstes schaue ich morgens nach allen Pflanzen und prüfe, ob über Nacht etwas Unvorhergesehenes passiert ist“, sagt Dorota, während sie in einem der In-vivo-Räume steht, in denen die Pflanzen leben. Sie deutet zu den Regalen, die die Wände des kleinen Raumes säumen. Deren Böden sind vollgestapelt mit einer Unzahl kleiner, unscheinbarer Pflanzen. „Wir müssen die Luftfeuchtigkeit, die Temperatur und die Beleuchtung in diesen Räumen genau kontrollieren, um stabile und reproduzierbare Bedingungen für die Experimente zu schaffen“, erklärt sie.
Obwohl sie keine besonders auffällige Pflanze ist, spielt Arabidopsis thaliana eine entscheidende Rolle in der Pflanzenbiologie. Anfang des 20. Jahrhunderts von dem deutschen Wissenschafter Friedrich Laibach für Forschungszwecke ausgewählt, entwickelte sie sich zum Standard für genetische Experimente an Pflanzen. Sie lässt sich schnell kultivieren, reift in nur sechs Wochen heran und produziert eine enorme Menge winziger Samen.
“Das Gießen ist eine Wissenschaft für sich”
Nach der ersten Kontrolle beginnt Dorota die Pflanzen zu gießen. „Das Gießen ist eine Wissenschaft für sich“, lacht sie. „Es basiert sehr auf Erfahrung – denn wenn ich die Bodenfeuchtigkeit für jede Pflanze messen würde, wäre ich am Ende eines Tages noch nicht fertig, weil ich es mit bis zu 15.000 Pflanzen zu tun habe.“
Jede einzelne Pflanze ist ihr wichtig, aber jede Wanne mit Pflanzen wird für einen anderen Versuchszweck verwendet. Für Dorota sind die Pflanzen anonym, deshalb braucht sie die Hilfe der Wissenschafter:innen, um sich um sie alle zu kümmern.
„Die Instandhaltung der Anlage ist keine Aufgabe für eine Person allein“, sagt Dorota. „Ich arbeite eng mit bis zu 30 Wissenschafter:innen aus der Benková- und der Friml-Gruppe zusammen. Es kann eine Menge Arbeit sein, alle zu koordinieren, aber wir haben hier eine tolle Gemeinschaft.“
Die beiden Forschungsgruppen – geleitet von Eva Benková und Jiří Friml – untersuchen die Entwicklungs- und Zellbiologie von Pflanzen. Sie erforschen zum Beispiel, wie Pflanzen Stickstoff im Boden finden, wie Pflanzen ihre Wunden heilen oder wie Pflanzen die Schwerkraft spüren können.
Dorota gibt zu bedenken: „Bei all diesen Forschungsprojekten müssen wir strenge Protokolle einhalten, um sicherzustellen, dass es keine Kontaminationen gibt und die Experimente von anderen Laboren reproduziert werden können.“ Da die Pflanzen in der Plant Facility gentechnisch verändert sind, darf keine von ihnen diese Räume verlassen, ohne in einer speziellen versiegelten Box eingeschlossen zu sein. „Wir arbeiten auch mit der Lab Support Facility des IST Austria zusammen, um alle organischen Abfälle und sogar das Abwasser, das in dieser Einrichtung anfällt, zu sterilisieren.“
Die Plant Facility des IST Austria wird nicht nur für die Wissenschaft genutzt, sondern sowohl Dorota als auch die Wissenschafter_innen tragen zum jährlichen Open Campus Tag des Instituts bei. Dort präsentieren sie ihre Pflanzen der Öffentlichkeit, die zu Besuch kommt.
„Wir haben sogar schon Projekte mit Schulkindern durchgeführt, die Pflanzen aus Samen gezogen haben, um mit ihnen Experimente durchzuführen.“, sagt Dorota. Als nächstes führt sie uns in einen speziellen Raum, der mit eigenartigen Lichtern erfüllt ist und in dem ihre pflanzlichen Experimente ihr Leben beginnen.
„Es ist schön zu zeigen, wie Wissenschaft in der Praxis funktioniert und unsere Leidenschaft dafür zu teilen“
Der in rosa Licht getauchte In-vitro-Raum ist der Ort, an dem die Setzlinge von Arabidopsis thaliana wachsen. „Hier verwenden wir LEDs für eine spezielle Beleuchtung mit ausschließlich blauem und rotem Licht, um das Wachstum der Pflanzen zu steuern“, erklärt Dorota, während sie mit den zerbrechlichen, transparenten Platten hantiert. Auf ihnen befinden sich die winzigen Pflänzchen in einem Substrat aus Agar, das sie mit Nährstoffen versorgt. Mit dieser speziellen Beleuchtung beeinflussen die Wissenschafter_innen die Wachstumsgeschwindigkeit, die Blatt- und Wurzelbildung und viele andere Aspekte der Entwicklung der Pflanzen.
Sobald die Setzlinge groß genug sind, werden sie in einen separaten Raum transportiert und umgetopft. „Das ist der schmutzige Teil der Arbeit. Manchmal helfe ich den Wissenschafter_innen dabei, aber meistens muss ich mich auf die Gesundheit der Pflanzen konzentrieren, die Abläufe koordinieren und sicherstellen, dass alle Stationen gut bestückt sind“, erzählt Dorota von ihrem Tagesablauf. „Nach dem Umtopfen setzen wir die Pflanzen entweder in Inkubatoren, die wie warme und hell beleuchtete Kühlschränke aussehen, oder sie kommen in die In-vivo-Räume.“
Wenn die Samen nach sechs Wochen reif sind, werden die Pflanzen wieder in einen anderen Raum gebracht, um geerntet zu werden. Ihre Samen sind winzig, kleiner als ein Stecknadelkopf. „Wir sammeln viele Tausende von ihnen und müssen sehr vorsichtig sein, um sie nicht zu verwechseln.“
Nach der Ernte werden die Samen in einer Saatgutbank gelagert, um sie über viele Jahre für die zukünftige Nutzung aufzubewahren. Jedes Labor, das mit Arabidopsis thaliana arbeitet, hat seine eigenen genetischen Linien – einen Stammbaum, der Pflanzen mit bestimmten Merkmalen wie Größe, Aussehen oder Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturschwankungen und Dürren enthält. Ähnlich wie bei Sammlerstücken oder Sammelkarten tauschen die Wissenschafter_innen auch Samen verschiedener Linien aus, um sie zu vergleichen und zu beforschen.
„Wir haben über 5.000 verschiedene genetische Linien in unserer Saatgutbank. Das sind insgesamt Millionen einzelner Samen“, erklärt Dorota. „Wir schicken sie oft an andere Labore, mit denen wir zusammenarbeiten, und erhalten Proben von deren Linien.“
„Wir haben über 5.000 verschiedene genetische Linien in unserer Saatgutbank. Das sind insgesamt Millionen einzelner Samen“
Während sie sich um die Pflanzen kümmert und die Wissenschafter_innen in der Plant Facility managt, verliert sie nicht ihre ursprüngliche Berufung aus den Augen, die sie zu diesem Job geführt hat.
Aufgewachsen auf dem Land in der kleinen Stadt Krasnystaw in Ostpolen, studierte Dorota anschließend Landschaftsarchitektur und ging nach Schottland, um in einem Skulpturengarten für zeitgenössische Kunst zu arbeiten. „Ich habe mich schon immer für Pflanzen und deren Pflege interessiert“, erinnert sie sich. „Im Skulpturengarten betrachteten wir die Pflanzen aus einer architektonischen und künstlerischen Perspektive. Später, als ich im Botanischen Garten in Edinburgh im Herbarium mit Trockenpräparaten arbeitete, kam ich in einen eher wissenschaftlichen Bereich.“
Als sie 2016 nach Österreich zog, fand sie einen Job in der Plant Facility des IST Austria. „In den fünf Jahren, die ich nun hier arbeite, hat sich vieles verändert. Wir haben nicht nur die Anlage erweitert, sondern auch Experimente mit unterschiedlichen Klima-, Boden- und Lichtverhältnissen durchgeführt“, erzählt sie. „Es war riskant, dies in einer laufenden Anlage zu tun, und wir mussten eng mit allen beteiligten Wissenschafter:innen zusammenarbeiten, aber es hat ausgezeichnet funktioniert.“
„Ich habe nur einen Kaktus zu Hause. Das ist genug.“
Dorota gibt zu, dass ihr Job auch sehr fordernd sein kann. „Ich unterstütze so viele Menschen – jeder mit einem eigenen Projekt, das ihm wichtig ist – und ich muss versuchen, mich gleichermaßen um viele Pflanzen zu kümmern. Aber ich bin froh, dass ich eine gute Verbindung zu den Wissenschafter:innen aufgebaut habe und Menschen aus vielen verschiedenen Ländern und Lebensbereichen kennenlernen durfte. Meine Kunden sind in erster Linie die Pflanzen, aber hinter den Pflanzen stehen meine Kolleg:innen. Wenn also die Pflanzen glücklich sind, sind es meine Kolleg:innen auch.“ Auf die Frage, ob sie sich auch zu Hause um Pflanzen kümmert, lacht sie. „Ich habe nur einen Kaktus zu Hause. Das ist genug.“